
Es ist Samstagmorgen, ein trister Wintertag weckt mich zum Wochenende. Die Temperaturen befinden sich im Plusbereich und von Schnee noch weit und breit keine Spur. Ausgelaugt vom regen Werktagstreiben mache ich mich ans Frühstück.
Um dem Trübsinn angemessen zu begegnen, ziehe ich die Laufklamotten an und begebe mich an die frische Luft. Demotiviert entscheide ich mich für die Habelbergrunde; am Habelstein war ich länger nicht mehr. Endlich ein Ziel gefunden.
Nach Erreichen des ersten Anstiegs stelle ich fest, dass ich lustlos vom Laufen ins Gehen wechsle. Während ich miesepetrig den Berg hochmarschiere, versuche ich mich nicht weiter vom Sog des Trübsinns herunterziehen zu lassen. Lust ist, wenn man auch mal keine Lust hat!
Einfach die Stimmung akzeptieren und vorbeirauschen lassen.
Plötzlich höre ich etwas im Unterholz des Waldes rascheln, die Äste des Bodens knacken und die Geräusche nähern sich. Ich erblicke cirka zwanzig Meter entfernt eine vierköpfige Wildschweinfamilie in Reih und Glied. Vater und Mutter, gefolgt von zwei Kleinen. Die Familie rennt parallel von meinem Weg in die gleiche Richtung.
Aus den Gedanken herausgerissen, bin ich nun vollkommen im Hier und Jetzt angekommen. Aufmerksamkeit pur. Neiderfüllt schaue ich den Wildschweinen nach, wie sie gekonnt trotz scheinbar unathletischer Anatomie den Berg hochjagen. Meine Faszination löst sich in urinstinktive Angst auf, als der Vater samt Anhang schließlich einen Richtungswechsel einschlägt und wenige Meter vor mir den Weg kreuzt. Selbstverständlich via Steilhang; Angeber!
Nun bemerke ich, wie seit Erblicken der Wildschweine, mein Totstellreflex eingesetzt hat. Ich stehe wie angewurzelt da und übe mich in der Gestalt eines Baumes. Ich lächle in mich hinein, weil ich meinen Zeigefinger auf den Mund gelegt habe… als ob ich sonst noch jemanden zum Leise sein ermuntern müsste… vielleicht war es auch nur eine Gestik des Überlegens, was ich am Besten als nächstes Tun oder Lassen sollte. Im Tarnverhalten habe ich jedenfalls versagt. Mag eine neongelbe Jacke vielleicht im Straßenverkehr hilfreich sein, so ist diese beim Unsichtbarmachen vor Wildschweinen völlig ungeeignet.
Während mir all diese Gefühle (von Neid, über Respekt und Faszination, hin zu Angst und Abenteuerlust) in diesen wenigen Sekunden durch den Kopf gehen, sehe ich die Wildschweine endlich aus sicherer Entfernung. Ich gehe vorsichtig weiter, gewappnet für einen weiteren Richtungswechsel. Über die Kuppe erblicke ich zwei Wanderer, welche das Spektakel ebenso miterlebt haben. Auch ergriffen von urinstinktiver Starre. Wir ticken doch alle gleich!
Voll von neuer ungeahnter Energie, grüße ich das Paar mit einer kurzen humoristischen Bemerkung und gehe meiner Wege. Ich wundere mich über den einfach gewonnenen Lebensmut und trabe wieder glücklich zum Laufen an.
Meine Vorbilder sind tatsächlich Wildschweine, die Bergziegen der Rhön!
Zuhause angekommen bin ich stolz den inneren Schweinehund der Lustlosigkeit besiegt zu haben. Und obendrein sogar noch Schwein gehabt; Saucool!
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